Schafe in Religion und Mythologie

Schafe zählen zu den ältesten domestizierten Haustieren des Menschen. Kein Wunder also, dass sie auch in Religion und Mythologie in verschiedensten Kulturen sehr früh eine Rolle spielten. Das Schaf wurde im Laufe der Geschichte mit ganz unterschiedlichen symbolischen Bedeutungen versehen. Als verehrtes Kulttier wurde es mit Unschuld, Reinheit, aber auch Liebe in Verbindung gebracht. Im Volksmund gilt das Schaf dagegen häufig als stupides und feiges Tier schlechthin. Die kulturgeschichtliche sowie mythologische Bedeutung der Schafe spiegelt sich in der Sprache wider: Zahlreiche Redensarten und Sprüche greifen auf das Schaf und seine Symbolik zurück. So können Menschen „das schwarze Schaf der Familie sein“, sich als „Wolf im Schafspelz“ herausstellen oder zum „Sündenbock“ werden.

Das Schaf als Opfertier

In zahlreichen Kulturen dienten Schafe, besonders Lämmer, als Opfertiere. Das Schaf wurde als Symbol für die Hingabe und Zuwendung zu Gott betrachtet. Außerdem stand es als kulturgeschichtlich bedeutsames Nutztier symbolisch für das Leben. Schließlich brachten Schafe ihren Besitzer*innen nicht nur lebensnotwendige Nahrungsmittel, sondern auch andere wichtige Materialien wie Leder und Wolle. Als Opfertiere wurden stets die unschuldigsten und wehrlosesten Geschöpfe ausgewählt. Durch deren Opferung wollten sich die Menschen von ihren Sünden reinwaschen und vor ihren Göttern um Vergebung zu bitten. Noch heute weist der Spruch „das Lamm zur Schlachtbank führen“ auf das unschuldige Vertrauen der Schafe in ihren Schäfer hin. Gerade die naive Bereitschaft, dem Menschen sogar bis zur Schlachtbank zu folgen, wurde als Zeichen für Reinheit und Opferbereitschaft gedeutet.

Schafe – Tiere Gottes?

Auch in der Bibel finden sich zahlreiche Textstellen, in denen das Schaf als Opfertier erwähnt wird. Im Buch Exodus des Alten Testaments wird dem Blut des Lamms beispielsweise eine Schutzfunktion zugeschrieben. So wird das Blut des geopferten Tieres von den Hebräern an die Türen geschmiert, um die Bewohner*innen des Hauses vor der letzten von Gott geschickten Plage zu bewahren. An dieses Ereignis erinnert das heute noch gefeierte jüdische Passafest, bei dem jährlich ein Lamm geschlachtet wird.

Im Neuen Testament wird das Lamm hingegen häufig mit Jesus Christus in Verbindung gebracht. Schafe gelten hier als unschuldige und reine Tiere. Zudem sind im christlichen Glauben Schafe sowie Tauben jene Tiere, dessen Gestalt der Teufel nie einnehmen kann. Jesus Christus wird unter anderem von Johannes dem Täufer „Agnus Dei“ (=Lamm Gottes) genannt. Er lehrte die Menschen seine Liebe und befreite mit seiner Opferbereitschaft und seinem Tod das neue Volk Gottes. Das Osterlamm, das meist mit Siegesfahne dargestellt wird, symbolisiert außerdem die Auferstehung Jesu. Auch die christliche Kunst bedient sich oft dieses Darstellungsgegenstandes. Auch als Hirt, der für seine Schafe sorgt, wird Jesus Christus häufig dargestellt. Diese Metapher von Schäfer und Herde wird außerdem für Pastor oder Pfarrer und die Gemeinde verwendet.

Gemälde „Johannes der Täufer als Kind“ von Bartolomé Estéban Murillo, um 1650

Schafe als göttliche Wesen

Im alten Ägypten galt der Widder als heiliges Tier. Er stand symbolisch für Lebenskraft und Fruchtbarkeit. So finden sich Darstellungen verschiedener Götter in Widdergestalt. In der altägyptischen Religion wird etwa der Fruchtbarkeitsgott Re mit Widderkopf gedacht. Widder sollen sogar teilweise ähnlich wie Menschen bestattet worden sein.

In der keltischen Mythologie wurde das Lamm der lichtbringenden Muttergöttin Brigid zugeordnet. Bei den Germanen wurde es eventuell mit Ostara, einer Fruchtbarkeitsgöttin, in Verbindung gebracht. Um diese Göttinnen zu feiern, wurden im Februar und am 21. März große Feste veranstaltet. So fielen die ersten Festlichkeiten in die Zeit, in der die ersten Lämmer geboren wurden. Am 21. März findet die Frühlingstagundnachtgleiche statt. Als Dank für die Wiedergeburt des Lichtes wurden hier die Lämmer geweiht und Opfer dargebracht.

In der griechischen Mythologie kommt dem Schaf ebenfalls besondere Bedeutung zu. So findet sich etwa der Mythos vom Goldenen Vlies. Es handelt sich um das heilsbringende Fell eines goldenen Widders, der sprechen und fliegen konnte. Verehrt wurde zudem der Hirtengott Pan. Er erschien als Mischwesen aus Mensch und Widder oder Ziegenbock. Seine Aufgabe war der Schutz der Hirten und Tierherden, sein Attribut war die Panflöte. Teilweise soll er auch Tiere oder Menschen erschreckt haben und in „Panik“ versetzt haben, woher sich diese Bezeichnung ableitet.

Das Schaf in Schamanismus und Astrologie

Aber nicht nur mit Reinheit, Liebe und Frieden soll das Schaf in Zusammenhang stehen. Auch Schlaf, Traum und Verwandlung werden diesem Tier zugeordnet. So gilt das Schaf im Schamanismus als Krafttier mit heilenden Fähigkeiten. Es soll bei der Traumdeutung helfen und Menschen zu Harmonie, Selbstheilung und Lebenskraft verhelfen. Zudem heißt es, dass Schafe Wege aufzeigen, um zu einem glücklichen Leben innerhalb friedlicher Gemeinschaften zu finden.

Auch in der Astrologie sind die faszinierenden Tiere anzutreffen. Personen, die zwischen dem 21. März und 20. April geboren sind, sind etwa „Widder“ vom Sternzeichen. Sie gelten als abenteuerlustig, ehrlich, kreativ und offen. Außerdem sollen die Sternzeichen-Träger selbstbewusst und kämpferisch sein, jedoch manchmal etwas zu schnell und unüberlegt handeln. Das chinesische Horoskop kennt ebenfalls das Tierbild „Schaf“. Menschen mit diesem Tierbild werden als kreativ, hilfsbereit, einfühlsam und harmoniebedürftig beschrieben. Zu ihren Schwächen gehören dagegen Pessimismus und Schüchternheit.

Das Sternzeichen „Widder“ findet sich auch auf astrologischen Uhren wieder, hier am Uhrturm Torre-dell‘-Orologio in Venedig